Fletschhorn - Lagginhorn: Die Tour mit dem Glücksschwein

Wenn eine Aktion so richtig gut war, warum dann keine Wiederholung in ganz ähnlicher Form? Weissmies 2000 ist noch gut in Erinnerung, warum also nicht in diesem Jahr auf die Nachbarberge Fletschhorn und Lagginhorn, in der gleichen Woche des Jahres, in der gleichen Besetzung mit Annegret ... und Harald? Der ist neu, das gibt entscheidende Impulse! "Isch saagg nur Haaralld, ogottogott!"

Bewährte Dramaturgie: Abends um 19:00 ... ähh... war wohl doch ehr 20:00 ...in Heidelberg los, dann über die schweizer Autobahnen durchs Rhonetal, und kurz nach 1:00 morgens Ankunft in Saas-Grund: Neuer Rekord! Dieses Mal übernachten wir auf einer Wiese vor Saas-Almagell, die Nacht ist wunderschön, der Bach rauscht zehn Meter neben uns, über uns die Silhouette einer Lärche, ein Zelt will man sich da gar nicht vorstellen.

Morgens geht es gar nicht früh los, noch lange nach der Dämmerung liegen wir-auf der doch recht feuchten Wiese!-, die ersten Spaziergänger schauen verwundert auf die drei fetten, farbigen Maden, wir warten bis zum Sonnenaufgang im engen Tal mit dem Frühstück. Sehr gemütlich! Und gleich gemütlich weiter: Besuche beim Supermarkt und Bäcker in Saas-Grund schaffen die Grundlage für ein zweites Frühstück als Belohnung für das langwierige Packen der Rucksäcke, mit der Kletter-, Hochtouren- und Zeltausrüstung kommt mal wieder einiges Gewicht zusammen.

Darth Vader mit finsteren Plänen auf zu lichten Höhen

Über zunehmend sanftere Almwiesen steigt dann der Weg sehr hübsch erst zur Triftalm, dann weiter durch das von der winterlichen Skipiste malträtierte Trifttal zur Seilbahnstation Kreuzboden. Und schon der erste Höhepunkt der Tour: Das Schwein! So glücklich möchte man auch leben, als Almschwein über die Matten wackeln, frei von Sorgen in der Sonne liegen, ab und an einen Bergklee futtern. Doch das böse Element ist nirgends fern, wir stören seine Ruhe durch kindische Versuche, dem Schwein eine Kappe aufzusetzen. Mit einem Quiiiiiiikkkk verlässt uns das Schwein unter Protest. Der weitere Aufstieg zur Weissmieshütte ist hässlich, die -im Winter schöne!- Skipiste hat die empfindliche Naturdes Moränenbewuchses stark in Mitleidenschaft gezogen, da hat das Almageller Tal dem Wanderer doch Besseres zu bieten. Den Zeltplatz steuern wir direkt an, knapp hundert Meter oberhalb der Hütte haben bereits andere zehn Meter neben dem Bach einen Platz geebnet, von Steinen befreit und eine Kochnische gebaut. Ideal! So halbwegs passen wir auch zu dritt in Haralds Zweimannzelt, es gab schon mal mehr Bewegungsfreiheit.

Das Programm für den nächsten Tag ist knackig: Aufstieg zum Fletschhorn (3993 m) über den Tälli- und Grüebgletscher, Abstieg zum Fletschhornjoch und Besteigung des Lagginhorns (4010 m) über den NO-Grat, Abstieg zum Zelt über den SW-Grat. Entsprechend früh stehen wir auf, und kommen mit der ersten Dämmerung los. Der Tälligletscher besteht praktisch nur noch aus Toteis und ist fast vollständig mit Schutt bedeckt, kein Problem. Auch die am Abend vorher gefürchtete Firnpassage hinauf zum Frühstücksplatz und dem Übergang zum Grüebgletscher ist einfach, bester Firn, keine Ausaperung. Ich versuche, die anderen Seilschaften zu überholen, das gelingt auch manchmal, aber irgendwie sind wir doch ziemlich schlapp, wir reihen uns also in die Kette ein und stapfen in Kolonne bis zum Gipfel, nur eine kurze Passage am Firngrat ist etwas unangenehm.

Gipfel Fletschhorn 3993 m

Wir sind noch deutlich vor Aufzug der Quellbewölkung auf dem Gipfel, die Aussicht auf die Berge des Wallis und des Berner Oberlandes ist gigantisch.Aus Schlappheit verzichten wir auf die Überschreitung hinüber zum Lagginhorn, es liegt auch noch eine Menge Schnee auf den Felsen, gemütlich würde das nicht werden. Also:"Wie herauf -- so hinab, ..." (H. v. Barth), auch über die eine unangenehm eisige Stelle des Grates. Ich frage einen Chef einer anderen Gruppe wie sie das versichern wollen, und die Antwort ist "Gutes Steigeisengehen"! Wir exerzieren Pickelsicherung, es geht aber doch viel leichter als gedacht.

Tank Girl Am Frühstücksplatz ... letzte Moräne vor dem Zelt

Beim Frühstücksplatz sind wir alle ziemlich K.O., der Firn ist unter der starken Morgensonne weich geworden, und wir rutschen etwas torkelig runter zum Tälligletscher, und noch fertiger weiter zum Zelt. Jetzt ist erst mal wieder alpines Rumhängen angesagt, das ist so erholsam! Und dann wird beschlossen, noch einen Tag dazubleiben, das Lagginhorn morgen auf seinem Normalweg zu erklettern. Die Lebensmittelvorräte lassen sich strecken, Zeit ist auch noch da, also los!

Sub-Commandante Marcos ruht nach heftigen Kämpfen für Egalite´, Liberte´, Fraternite´ ... ... tote Konterrevulotionäre säumen seinen Weg!

Ein falscher Chronist könnte jetzt so weitermachen:

Doch ein Blick aus dem Zelt ...

... und ewig lockt das Jegihorn

.... zeigt das Jegihorn in seiner vollen Schönheit: Kühn ragt es aus den Schuttfeldern, drohend reckt sich sein schwarzes Haupt, unersteiglich erscheint es den wackeren Alpinisten. Doch ein unersteiglich kann es für sie nicht zu geben, frisch will es gewagt sein! In stetigem Schwung greifen sie es an, Hand um Hand geht es aufwärts, das Seil schweisst sie unzertrennlicher zusammen, als es selbst die Natur vollbringen könnte. Über schwindelnde Abründe, drohende Schluchten und spitze Grate geht es in stetigem Schritt. Stolz ist der Gipfel ist gewonnen!

Nein, so war es nicht, falsche Chronisten sind nicht unter uns, uns treibt der Hunger und die Hoffnung auf eine Abendessen zur Weissmieshütte. Doch dort ist man nicht so flexibel uns beim Bergsteigeressen mit einzuplanen. Also müssen wir eineinhalb Stunden irgendwie totschlagen, und so besteigen wir das Jegihorn. "Krasse Rennerei" ist der Kommentar einer der bekanntesten Heidelberger Alpinistinnen, im Abstieg auf der Flucht vor drohenden Wolken zeigt sie, was wahrhafte Gemsenhaftigkeit ist. Beim Abendessen treffen wir eine "krasse Firnalpinistin", nach kurzem Sondieren zeigt sich, dass das Beziehungs- und Bekanntschaftsnetz mal wieder vom Orchester bis in eisige Höhen reicht.

Nach einer weiteren Nacht mit wenig Bewegungsspielraum geht es in der Dämmerung los in Richtung Lagginhorn, gar nicht langweilig wie im Führer angesagt, sondern abwechsungsreich erst durch Moränengelände, dann über den flachen Laggingletscher an den SW-Grat, kraxelnd auf den Grat, dort weiter, über ein ziemlich steiles Firnfeld zum markanten Gipfel. Bis auf die Scheisserei auf dem Firnfeld ist alles ziemlich leicht, ich muss mal wieder ohne Rast noch Ruh rennen, bis alle überholt sind. Die Aussicht ist gut wie gestern, aber der Gipfel ist viel enger, es gibt nur wenig Platz, um so besser für markante Gipfelfotos!

Wird hier die bekannte Extremalpinistin weich und lehnt sich gegen die starke Männerbrust? 
Nein! Nur das Gipfelkreuz ist ihr Sehnen und gibt ihr Halt!

Der Abstieg zum Zelt und ins Tal geht zügig vor sich, wieder sind alle am Zelt schlapp, aber es kommen ja auch nur noch 1400 Meter Abstieg. Doch auch die gehen vorbei, standhaft gehen wir an der Seilbahnstation vorbei, und schon am frühen Nachmittag erreichen wir das Auto in Saas-Grund.

Also ist analog zum letzten Jahr Zeit für ein Kulturhighlight: Fribourg. So stellt sich der normale Europäer die Schweiz vor, aufgeräumt, teuer und etwas verschlafen, aber doch irgendwie ganz, ganz arg schön.

Ende der Tour mit dem Glücksschwein!